Mystik im Alltag

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Anomie

"Moral, die alte Garde rächt sich, trau keinem über 68"*
(Paraphrase)
Das ist ein abgewandeltes Zitat aus einem Live Konzert der Gruppe Drahdiwaberl aus den Achtziger Jahren, das ich aus dem Zusammenhang gerissen und ein wenig umgedreht habe.*
Im Original hieß es "Trau keinem unter 68"

Unter Anomie versteht mensch das Fehlen moralischer oder gesellschaftlicher Werte, einen Zustand fehlender ethischer und sozialer Regeln.
Ich denke, dass die Welt, in der wir leben voller Löcher ist, in denen unsere Albträume wachsen und gedeihen.
Jede Revolution hat der Menschheit Gutes gebracht und uns auf dem Weg der Zivilisation eine Stufe weiter gebracht.
Wo man zwei Schritte geht, geht man aber immer auch einen Schritt zurück, und jede Revolution gebiert deshalb auch neue Albträume, oft schlimmer als die alten.
Wo die alten Regeln abgeschafft wurden und nichts Besseres an ihre Stelle gesetzt werden konnte, gebiert sie schwarze Löcher, die alles verschlingen.
Dieser Text dreht sich um die Anomien der heutigen Welt.
Und ich möchte über drei Lebensgeschichten schreiben, um das zu illustrieren: Heather West, Lisa Steinberg und Howard Dully.

  • Nachtmahr


  • Ich bin ich? Wer sagt das bitte? Ich bin keine andre, doch ich bin ich auch wieder nicht, […] Ich kann nichts dafür, mehr Ich wäre schon fein, […] **
    (Elfriede Jelinek - "Angabe der Person")


    Anlass für meinen neuen Text hier (Ende 2025) ist meine Teilnahme an der Gemeinschaftsausstellung der Gruppe Kunst Aspekt mit dem Titel "Daydream and Nightmare" ab 16. Oktober 2025 (bis 2. November) mit einem meiner figurativen Bilder.

    Das erste Mal, dass ich einige meiner figurativen Bilder in Räumen öffentlich ausgestellt habe, war im Jahr 2024 – ebenfalls eine Gruppenausstellung im Rahmen von Kunst Aspekt. Meine Bilder wurden damals als durchwegs autobiographisch, außerdem "berührend" (wörtlich zitiert) beschrieben.
    Das Problem das ich damit gehabt habe:
    Ich will nicht ´berührend´ sein, ich würde viel lieber Unruhe stiften mit meinen Puppen und Figuren …
    Ein paar der AusstellungsbesucherInnen mit denen ich damals geredet hatte, haben dann, von dieser Kunstbeschreibung beeinflusst, meine Bilder im Sinne des heute gar nicht so selten vorkommenden von mir in Gedanken gelegentlich als "Ich bin als Kind missbraucht worden und mächtig stolz darauf" – bezeichneten Kontextes aufgefasst.
    Daher halte ich es für notwendig noch vor der Ausstellungseröffnung diesen Text hinauszuhauen.
    Ich bin nicht sexuell missbraucht worden als Kind.
    Ich werde auf diesen "Ich bin als Kind missbraucht worden und mächtig stolz darauf" – Satz am Ende des Textes noch einmal eingehen, denn:
    Grundsätzlich ist selbstverständlich nichts dagegen zu sagen, dass ehemalige Opfer von Missbrauch ihre Lebensgeschichten erzählen. Ich halte es sogar für äußerst notwendig.

  • Tu Deine Pflicht!

  • Das sind die unsichtbaren Verbindungen, die uns mit den anderen – den Toten wie den Lebenden – verbinden, […], und in den Nischen unserer Erinnerungen nistende Schulden. ***
    (Delphine de Vigan - "Loyalitäten")


    Warum figurative Bilder?

    Ich habe meinen Vater mein Leben lang verabscheut, weil - aus meiner Sicht - ich psychisch von ihm misshandelt worden bin während meiner Kindheit. In diesem Konflikt sehe ich auch die Ursache, warum ich in der Volksschule von Lehrerinnen und Mitschülern gleichermaßen gemobbt wurde, da diese wussten, dass meine Mutter mich nicht schützen konnte, mein Vater aber erst recht nicht für mich einstehen würde, weil er das gar nicht wollte, sondern das Gegenteil.
    Weil ich nur objektive Texte schreiben möchte, in denen ich niemanden offen diffamiere oder beschimpfe, war es mir daher bisher nie möglich einen ausführlichen Text ausschließlich über meine Kindheit und/oder meinen Vater zu schreiben, der sachlich ist und veröffentlicht werden kann.

    Meine figurativen Arbeiten sind von dem Faktum, dass meine Kindheit eine unglückliche war zwar inspiriert und motiviert, sie sind aber keine verschlüsselten Selbstportraits und kein sexuelles Missbrauchsbekenntnis.
    Ursache für die Probleme zwischen meinem Vater und mir, waren aber – nach meiner persönlichen Überzeugung - linke experimentelle Erziehungskonzepte, die durchwegs alle das Gute wollten, aber viel Böses hervorbrachten.

    Sie sind es mit denen ich hauptsächlich abrechnen möchte.

  • Reach out touch faith
  • "Im Grunde ist ein Paar eine kriminelle Vereinigung" ***
    (Delphine de Vigan - "Loyalitäten")


    Heather West

    war die Tochter von Fred und Rose West. Die beiden waren ein Ehepaar aus Gloucester in England, das Ende der Sechzigerjahre begonnen hatte, junge Frauen als Anhalterinnen mitzunehmen, ihnen eine billige Wohnung anzubieten und einen Job als Babysitter für ihre unzähligen Kinder.

    Haben sie die Frauen Anfangs nur missbraucht, wurden die jungen Frauen im Laufe der Jahre immer sadistischer vergewaltigt und schließlich – ab den Siebzigerjahren – am Ende dieses Missbrauchs immer von Fred West ermordet, zerstückelt und im Keller und im Garten seines Hauses vergraben, über welche Gräber er dann zahlreiche Hausumbauten und baurechtlich illegale Anbauten zur Erweiterung seines Hauses baute.

    Die ältesten Kinder des Ehepaares waren die Mädchen Charmaine, Anna Marie und die 1988 vom Vater ermordete und im Garten des Hauses vergrabene Heather.
    Charmaine, geboren 1963 starb 1971, wobei bis heute unklar ist, ob sie von ihrem Vater oder ihrer Mutter getötet wurde, und ob sie vorsätzlich ermordet wurde oder durch Totschlag im Affekt zu Tode gekommen ist.

    Die zweite Tochter Anna Marie wurde vom Vater mit intensiver aktiver Unterstützung der Mutter im Alter von 8 Jahren zum ersten Mal vergewaltigt.
    Ihr wurde von ihrem Vater und ihrer Mutter gesagt, alle Eltern würden dies mit ihren Töchtern tun, damit diese auf einen künftigen Ehemann vorbereitet würden und dann besser in der Lage sein würden, diesen (sexuell) glücklich zu machen.

    Dieser Missbrauch ging weiter bis in die Pubertät.

    Anna Marie überlebte jedoch, fand einen Ehemann – wenn auch einen Alkoholiker - und schrieb später ein Buch, das heute vergriffen ist, über diesen jahrelangen Missbrauch. Später beging sie einen Selbstmordversuch.

    Als es Anna Marie durch ihre Heirat gelungen war aus der kriminellen Vereinigung, die ihre Familie im Grunde war, zu flüchten, begann Fred West zunehmend seiner drittältesten Tochter Heather nachzusteigen.

    Doch warum endete dies für die 1970 geborene Heather, anders als für die anderen überlebenden West-Kinder, mit ihrer Ermordung im Alter von noch nicht ganz 17 Jahren (1987)?
    Ich glaube, es hat etwas mit der frühkindlichen Prägung der beiden Töchter zu tun.

  • Rot!


  • Die Unterdrückung oder das Ignorieren der kindlichen Sexualität sind schädlich für das Kind. […]

    "Eine richtige Sexualerziehung beginnt damit, daß die Eltern selbst mit ihrer Sexualität umzugehen wissen, sie bejahen und genießen können. […]

    Ihnen macht es auch nichts aus, wenn das Kind ins Bad kommt und sie nackt sieht. Sie werden den Kindern beiläufig "Anatomieunterricht" geben. Sie werden dem Jungen erklären, daß sein Glied einmal genauso groß wird wie das des Vaters, […]
    Sie werden dem Mädchen erzählen, […], daß die Reizung dieser Organe ebenso wie beim Jungen Lustgefühle auslöst, […]" ****

    (Ulrich Diekmeyer - "Das Elternbuch - unser Kind im 3. Lebensjahr" - aus dem Kapitel über Sexualerziehung - Rowohlt 1976)

  • Curious George mit spitzen Zähnen


  • Nach seiner endgültigen Verhaftung befragt durch die Kriminalbeamten, begründete Fred West den Missbrauch seiner Kinder mit dem Kommentar: "Tun das nicht alle?"
    und er argumentierte, dass Missbrauch eben kein Missbrauch wäre, sondern, dass es die Aufgabe der Eltern wäre, auf diese Art und Weise die "Sexualerziehung" der Kinder zu übernehmen.

    Er glaubte also tatsächlich und ganz ernsthaft daran, dass Mädchen sexuell am besten "aufgeklärt" würden, wenn ihr erster Liebhaber der eigene Vater wäre.

    Männer wie Fred West, die massenmorden und/oder darüber hinaus ihre eigenen Kinder missbrauchen, ja sogar umbringen hat es natürlich zu allen Zeiten in der Geschichte der Menschheit gegeben.
    Dass aber ein Mann wie Fred West seine Taten vollkommen ernsthaft damit begründet, dass er ja nur seinen Erziehungsauftrag (!) erfüllen wollte, das war und ist erst nach und durch die sexuelle Revolution der Achtundsechzigerjahre möglich geworden.

    In den Sechziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts wurde eine extreme Frühsexualisierung schon der Kleinstkinder propagiert, nicht zuletzt, um die Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten, dessen Ideal damals im Slogan: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment." gut zusammengefasst wird.

  • was ist Pflicht? das tun was du nicht tun willst

  • Wenn es nun quasi die Pflicht jeder jungen Frau ist, mit jedem Mann Sex zu haben, der sie danach fragt, egal wie alt, wie hässlich, ungewaschen oder unsympathisch er ist – denn sie will ja wohl nicht zum Establishment gehören – ist es nach dieser Logik natürlich notwendig bereits das weibliche Kleinkind, spätestens das Volksschulkind auf die künftigen Aufgaben und Pflichten einer jungen Frau vorzubereiten.

    "Wie sollen Sie reagieren, wenn ihr Kind "zudringlich wird" und Sie als Sexualpartner wünscht? Sie werden sich dann ganz unwillkürlich zurückziehen."
    "Empfindungsmäßige Schranken und gesellschaftliche Normen verhindern einen weitergehenden Kontakt" ****

    (Ulrich Diekmeyer - "Das Elternbuch - Unser Kind im 3. Lebensjahr")

  • Tu Deine Pflicht!


  • Gebildete, kritische, zumindest durchschnittlich intelligente und intelligente Menschen nehmen nicht immer alles was sie lesen, hören oder aufschnappen für bare Münze. Sie sind kritisch genug, nicht jeden neuen Trend des jeweils herrschenden Zeitgeistes zu bejahen und aufzunehmen.

    Fred West hatte aber als Sohn von englischen Landarbeitern aufgewachsen in einer der abgelegensten und rückständigsten Gegenden des ländlichen Englands nur eine rudimentäre Schulbildung erhalten.

    Er war deshalb funktioneller Analphabet und höchstens durchschnittlich intelligent.

    Er nahm den Zeitgeist der damaligen Zeit wörtlich und handelte danach.

    Wäre er in einem rigideren gesellschaftlichen Klima aufgewachsen, hätte er sich entweder nicht getraut, seine sadistischen sexuellen Obsessionen auszuleben, aus Furcht vor Strafe, vor allem aber aus Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung.

    Hätte er seine Taten in einem gesünderen gesellschaftlichen Klima begangen und wäre er dann ebenso gefasst worden, hätte er diese Taten sicher nicht mit der von ihm rhetorisch aufgefassten Frage "Tun das nicht alle?" begründet.

    Nach einiger Zeit werden auch die spannensten "Doktorspiele" uninteressant.
    Ebenso nimmt auch die Neugier an der Anatomie der Erwachsenen bald wieder ab, wenn sie durch ein freies Verhalten der Eltern gestillt werden konnte.****

    (Ulrich Diekmeyer - "Das Elternbuch - Unser Kind im 3. Lebensjahr")

  • fallender Engel


  • Fred West war vor ihrem 8. Lebensjahr zunächst einigermaßen freundlich zu seiner zweiten Tochter Anna Marie, im Gegensatz zu Charmaine, der er extreme Abneigung entgegenbrachte und Heather, die er offen hasste.

    Anna Marie empfand sich deshalb selbst als Liebling ihres Vaters.

    Sie entwickelte eine starke Zuneigung zu ihm.

    Das machte sie relativ wehrlos gegen den späteren Missbrauch und empfänglich für Fred Wests psychologische Manipulationen, mit denen er sich bemühte, ihr einzureden, sein Verhalten wäre normal und in Ordnung.

    Warum Fred West Heather gegenüber eine Abneigung entwickelte, bleibt unklar.

    Wichtig ist, dass ihr Vater seine Abneigung offen zeigte, das Kind im Kleinkind- und Volksschulalter körperlich misshandelte und psychisch terrorisierte.

    So erwiderte das Kind Heather früh die starke Abneigung gegen ihren Vater.

    Als Fred West sie nun genauso wie Anna Marie zu manipulieren und sexuell zu missbrauchen versuchte, stieß er deshalb auf Heathers massiven Widerstand dagegen.

    Das löste eine Spirale des Hasses im Vater aus, bis dieser die Jugendliche brutal ermorderte.

    Vermutlich im Affekt.

    Heather West ist aber nicht völlig umsonst gestorben.
    Ihr Verschwinden war es, das schließlich zu den längst fälligen polizeilichen Ermittlungen führte, die Fred West dann endlich nach und nach seiner Verbrechen überführten.


  • Fugitive Red
  • ´I´ve watched over the child since she was born. I´ve loved her, trained her, brought her up as if she were my own, because her mother is a fool and her father a devil. […]´*****
    (Daphne du Maurier - "The Scapegoat")

  • Lisa Steinberg

    Lisa Steinberg wurde von Michelle Launders 1980 zur Welt gebracht.
    Michelle Launders war damals noch ein Teenager mitten in ihrer Berufsausbildung, ebenso wie der leibliche Vater des Kindes, weshalb sie dieses nicht behalten wollte.

    Eine Abtreibung kam für sie jedoch nicht in Frage, zum einen da sie gläubige Katholikin war, zum anderen hatte sie früh eine Beziehung zu dem werdenden Kind in ihrem Mutterleib entwickelt.

    Sie glaubte, eine liebevolle Adoptivfamilie für das Ungeborene zu finden, wäre die beste Lösung und geriet an den Anwalt Joel Steinberg, der ihr versicherte genau so eine Familie zu kennen und versprach, eine Adoption in ihrem Sinne zu vermitteln.

    In Wahrheit wollte Joel Steinberg das Kind selbst aufziehen, ursprünglich vielleicht um seine Lebensgefährtin Hedda Nussbaum stärker an sich zu binden, die sich ein Kind wünschte, das Steinberg, der zeugungsunfähig war, ihr anders nicht geben konnte.

    Hedda Nussbaum war damals noch eine relativ erfolgreiche Kinderbuchautorin, die Joel Steinberg zu diesem Zeitpunkt aber bereits zu misshandeln begonnen hatte, und die er zunehmend hörig und abhängig von sich machte.

    Keine guten Voraussetzungen für das Kind Lisa.

    Beide Adoptiveltern, vor allem aber Joel Steinberg waren seit den Siebzigerjahren gläubige Anhänger von einem selbsternannten Apologeten Wilhelm Reichs.

  • SM Multiuse

  • "Ein Mädchen von etwa sieben Jahren, das bewußt völlig gottlos erzogen wurde, entwickelte eines Tages einen Zwang zu beten; […]

    "Lieber Karli, hier ist ein Kornfeld und am Rand davon haben wir unser Spital (natürlich nur im Spiel). Da spielen wir immer Doktor (wir sind fünf Mädels). Wenn einem von uns etwas am Lulu wehtut, so geht er dorthin, denn dort haben wir Salben und Creme, Watte. Das alles haben wir uns stibietzt." […]

    12 Jahre später war sie sexuell gesund, intellektuell hervorragend und sozial beliebt" ******

    (aus Wilhelm Reich - "Die Massenpsychologie des Faschismus" - in der Mitte ein Brief einer Tochter an ihren Vater "Karli" zitiert)


    Das Paar Steinberg/ Nussbaum war seit den Siebzigerjahren besessen von der Verwirklichung und Vervollkommnung ihrer gemeinsamen Sexualität, wobei Joel Steinberg ganz offen Sadomasochist war und offenbar nur dann sexuell mit einer Frau verkehren konnte (potent war), wenn er diese zuvor schlug.

    Steinberg war auch Karatekämpfer und schlug Hedda Nussbaum mit der Handkante, mit entsprechender Wirkung.

    Aus den sexuellen Obsessionen entwickelte sich bei beiden ab Mitte der Achtzigerjahre nach und nach auch eine Kokainabhängigkeit.

    Die beiden hatten die Droge ursprünglich zu – wie sie selbst glaubten – therapeutischen Zwecken – konsumiert, um sich aller eventuell noch verbliebenen sexuellen Hemmungen, die wie sie meinten, nicht nur ihre sexuelle - sondern auch die – ihrer Ansicht nach – damit eng verbundene spirituelle Entwicklung behindern könnten – ganz zu entledigen.

    Sie lebten mit Lisa in einer engen New Yorker Altbauwohnung mit nur zwei Zimmern zusammen, in der Lisa nicht einmal ein eigenes Zimmer hatte und machten das Kind – zu – wie sie beide ernsthaft glaubten - erzieherischen Zwecken – regelmäßig zur Zeugin ihrer sexuellen Aktivitäten.

    Als Lisa Steinberg im Alter von sechs Jahren an einem Schädelhirntrauma starb, das ihr durch Schläge durch ihren Stiefvater beigebracht worden war, hatte Joel Steinberg auch seine Frau über die Jahre hinweg bereits in völlig neue Formen geprügelt. So hatte sie zum Zeitpunkt als die beiden wegen Mordverdacht verhaftet wurden unter anderem schon seit fast einem Jahr mit einem offenen Nasenbeinbruch gelebt.

    Fotos nach der Verhaftung der beiden zeigen, dass ihr der Nasenbeinknochen weiß beinern aus der Haut und dem Fleisch herausragte.

    Aus Hedda Nussbaums Biographie lässt sich ersehen, dass sie in den letzten Lebensjahren kaum noch in der Lage gewesen war, das Kind vor Joel Steinbergs Gewaltausbrüchen zu schützen. Sie hätte allerdings flüchten können.

    Hedda Nussbaum war eine unsichere leicht zu beeindruckende und sehr suggestible Intellektuelle der ersten Generation, die sich Anfangs von den bisher genannten Ideologien beeinflussen- und von Steinberg beeindrucken hatte lassen und ab Mitte der Achtzigerjahre durch systematische Manipulation und Lebenssabotage seitens ihres Lebensgefährten, sich und ihre Adoptivtochter nicht mehr aus den Verstrickungen befreien konnte, in die Joel Steinberg sie gebracht hatte.

    Steinberg wurde wegen Mordes verurteilt. Hedda Nussbaum kam frei, da man sie – wie Lisa - als Opfer Joel Steinbergs ansah.

  • Triptycon Fugitive Red or Some Kind of Blue

  • By helping us to understand how this can happen, Hedda Nussbaum´s words will help us to keep it from happening. But many more books will be necessary to explain Joel Steinberg. *******
    (Gloria Steinem in: Hedda Nussbaum - "Surviving Intimate Terrorism")


    Hedda Nussbaum hat fast dreißig Jahre nach dem Tod von Lisa Steinberg und nachdem sie selbst jahrelang in psychotherapeutischer Behandlung gewesen war, ein Buch über das kurze Leben ihrer Adoptivtocher verfasst.

    Es ist das einzige Buch über den Fall, in dem Lisa Steinberg wenigstens teilweise ein Gesicht und eine Stimme bekommt und in gewisser Weise wieder zum Leben erwacht. Gleichzeitig ist aber auch an mehreren Stellen des Buches zu spüren, dass es Hedda Nussbaum wesentlich an Empathie mangelt. Seitenweise reflektiert sie dann nur über sich selbst und ihre Befindlichkeit.

    Dass die Feministin Gloria Steinem sie regelrecht als eine Märtyrerin angesehen hat und nach der Inhaftierung Joel Steinbergs gefördert hat, empfinde ich als übertriebene Sympathiebekundung.

    Für mich persönlich wäre es absolut gerechtfertigt gewesen, nicht nur Joel Steinberg für seine Tat zu verurteilen und ins Gefängnis zu bringen, sondern auch Hedda Nussbaum wegen unterlassener Hilfeleistung.

    Dass Steinem Nussbaum geholfen hat, das Buch "Surviving Intimate Terrorism" auf die Welt zu bringen, war aber eine gute Tat. Das ist ein wertvolles und empfehlenswertes Buch. JedeR sollte es lesen.

    Denn auf diese Weise wurde dem Leiden Lisa Steinbergs nachträglich ein Teil von dessen Sinnlosigkeit genommen, weil es nun möglich ist, daraus für die Zukunft zu lernen.


  • Chinadoll


  • Die Weckung der sexuellen Bewusstheit dieser Frauen, die nachdrücklichste Warnung vor den Folgen des asketischen Lebens sind die wichtigsten Voraussetzungen für die politische Fruchtbarmachung […] ******
    (Wilhelm Reich - "Die Massenpsychologie des Faschismus")


    Joel Steinberg hat im Gegensatz zu seiner Lebensgefährtin seine Taten nie bereut.

    Er blieb der Meinung, ein hervorragender Vater gewesen zu sein. Der Tod Lisas wäre eben ein tragischer "Unfall" gewesen.

    Tatsächlich wurde Lisa Steinberg – soweit man es wissen kann – nicht sexuell missbraucht.

    Ihre Stiefeltern veranlassten, dass sie Ballettunterricht bekam, ihr großes Zeichentalent wurde aktiv gefördert, sie lernte schon ab dem vierten Lebensjahr lesen und schreiben.



  • Die höchst merkwürdige Sexualaufklärung Lisas durch Joel Steinberg nach den von Steinberg höchst eigenwillig interpretierten und sehr individuell ausgelegten Lehren Wilhelm Reichs, kann aber durchaus missbräuchlich interpretiert werden. Mindestens war es eine massive Manipulation bzw. eine Gehirnwäsche des Kindes.

    Joel Steinberg glaubte fest daran, auch damit das Kind positiv gefördert- und zu einem besseren Menschen erzogen zu haben.

    Joel Steinberg und Hedda Nussbaum waren im Grunde genommen zwei Verrückte, mental vollkommen ungeeignet, ein Kind aufzuziehen, die dessen ungeachtet trotzdem unbedingt eine heile Familie gründen wollten und an die krudesten und verrücktesten neuen Erziehungskonzepte der späten Sechziger- und der Siebzigerjahre glaubten wie an den heiligen Gral.

    Man hat in´s Kind doch investiert, da muß es doch pariern. ********
    (Konstantin Wecker - "Der dumme Bub")


    Howard Dully

    Howard Dully wurde 1948 geboren, war allem Anschein nach ursprünglich ein hochbegabtes äußerst intelligentes Kind, mathematisch begabt, ein hervorragender Schachspieler und vollkommen normal.

    1960 wurde er zu einem der letzten und bekanntesten Opfer des amerikanischen Arztes Walter Freeman, der eine Form der Lobotomie (Gehirnoperation) an ihm vorgenommen hat, die ambulant mit einer Art Eispickel (!) durchgeführt werden konnte und die Freeman selbst entwickelt hatte.

    Bei dieser "Operation" wurde den Opfern bei lokaler Anästhesie ein eispickelähnliches Instrument über den inneren Augenwinkel jeweils des rechten und des linken Auges in das Vorderhirn gestoßen. Danach wurde das Instrument im Kopf des Opfers hin- und hergeschoben, wodurch die Frontallappen des Gehirns durchtrennt wurden.

    Die Operation war sehr unpräzise und die Folgen reichten von teilweise noch regenerierbaren schweren – bis zu irreparablen schwersten Gehirnschädigungen. Nahezu immer wurden bei den Opfern Persönlichkeitsstörungen oder Veränderungen des Sozialverhaltens, Störungen der Affektsteuerung, sowie psychische Veränderungen bewirkt.

    Freeman, der in den Fünfzigerjahren hauptsächlich Frauen auf diese Weise (mis-) behandelt hatte, soll, um möglichst viele Menschen lobotomieren zu können, angeblich sogar mit einem eigens für diese Operation umgebauten Spezialfahrzeug, dem sogenannten "Lobotomobil" durch die USA gereist sein.

    Letzteres Detail wird von einigen Historikern allerdings vehement bestritten.

  • ZusammenbruchOnce around the grass


  • Auch wenn das "Lobotomobil" zu den modernen Mythen gehören sollte, Freeman existierte und seine unzähligen Operationen sind gut dokumentiert.

    Er wird von heutigen amerikanischen Psychiatern auch manchmal positiv gesehen.

    Letztere argumentieren, dass die Lobotomien zumindest für schwer paranoid-schizophrene Patienten vor der Erfindung und Einführung bestimmter Psychopharmaka wie Thorazin und anderen derartigen Mitteln tatsächlich notwendig gewesen wären, um diese vor sich selbst und ihren Affekthandlungen zu schützen.

    Tatsächlich wurden Lobotomien vor allem in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts aber auch als eine Art Disziplinarmaßnahme vorgenommen, für Menschen, die sich nicht an das damalige soziale Gefüge anpassen konnten.

    Dully ist im Gegensatz zu Heather West und Lisa Steinberg, deren Mörder im Handeln und Denken (Steinberg) oder in der Selbstverteidigungsstrategie (Fred West) von ursprünglich gutgemeinten linken Reformversuchen beeinflusst waren, ein Opfer verfehlter rechtspolitischer Erziehungsexperimente gewesen.

  • leerer Ort


  • Seine tiefen Augen von frühreifer Sorge geschärft…
    (Christina Rossetti – Behold I Stand At the Door and Knock)


    Howard Dullys leibliche Eltern waren Rodney Lloyd und June Pierce Dully.

    Dullys Vater entstammte einer Arbeiterfamilie, aus der dieser sich durch Bildung herausgearbeitet hatte. Er war also ein Aufsteiger. Howards leibliche Mutter entstammte einer etablierten Familie der amerikanischen Westküste und war wohlhabend.

    Zum Zeitpunkt der Eheschließung war Rodney Dully ein relativ hübscher mit seiner Brille nerdhaft wirkender Mann.

    Die Mutter wird als groß und kräftig beschrieben, nicht hässlich aber auch nicht schön, im Englischen gibt es ein unübersetzbares Eigenschaftswort dafür: plain.

    Menschen die sie zu Lebzeiten kannten, beschrieben sie auch als warmherzig, freundlich, liebevoll mit ihren Kindern.

    Vor allem aber war sie etwas mehr als zehn Jahre älter als ihr Mann, der zum Zeitpunkt der Eheschließung erst etwa 21 Jahre alt war.

    Zu diesem Zeitpunkt schien dieser sich noch keine Kinder zu wünschen und hatte offenbar auch nicht damit gerechnet, dass seine über dreißigjährige Frau ihm noch zwei Kinder schenken würde, deren älteres Howard sein sollte.

    Der Vater mochte seinen ältesten Sohn nicht. Die Mutter liebte ihn anscheinend sehr und beschützte ihn gegen die zunehmenden Aggressionen des Vaters.

    Die enge Beziehung Howards zur leiblichen Mutter vertiefte sich noch durch die Karriere- und Aufstiegsambitionen des Vaters, der infolgedessen wenig zuhause war und die Kindererziehung zunehmend ausschließlich seiner Frau überließ, um selbst den Kopf frei zu haben.

    Zwei weitere Söhne wurden geboren.

    Als Howard Dullys leibliche Mutter mit dem dritten Kind schwanger war, litt sie bereits an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung.

    Die Ärzte hatten dies aber übersehen. Erst als der dritte Sohn mit einer schweren Schädigung (ihm fehlte das halbe Gehirn) auf die Welt gekommen war und die Mutter sich nach der Geburt nicht erholte, wurde diese näher untersucht und wurde bei ihr fortgeschrittener Darmkrebs diagnostiziert. Sie starb zwölf Tage nach der Geburt jenes schwerbehinderten Sohnes.

    Der Vater gab dieses dritte Kind in ein Heim, wo es den Rest seines Lebens verbringen würde, erzählte den beiden anderen Söhnen, beide noch im Kleinstkindalter: "Eure Mutter ist weggegangen und kommt nicht mehr zurück", ohne auch nur den leisesten Versuch zu machen, ihnen zu erklären, was Tod bedeutet und dass die Mutter nicht einfach so zum Spaß "weggegangen" war und die Familie auch nicht mutwillig verlassen hatte, sondern schlicht und einfach gestorben ist.

    Dies war zumindest für Howard traumatisch.

  • grosser Gott Pan


  • Sein Vater schien es der Mutter seiner Kinder geradezu übel genommen zu haben, gestorben zu sein und einen schwerbehinderten Neugeborenen hinterlassen zu haben, so als hätte es sich dabei um ein "schuldhaftes Verhalten" seitens der Toten gehandelt.

    Dann heiratete Rodney Dully erneut.

    Howards Stiefmutter war ebenfalls deutlich älter als ihr Mann, doch war der Altersunterschied diesmal geringer, die soziale Herkunft der Frau der ihres Mannes ähnlicher und war die Ehe äußerst harmonisch und brachte viele weitere Kinder, Howards Halbgeschwister, hervor.

    Beide waren sozial ehrgeizig und aufstiegsbesessen, wertkonservativ eingestellt, pflegten einen äußerst restriktiven Erziehungsstil und schlugen ihre Kinder regelmäßig, bei echtem oder auch von ihnen imaginiertem Fehlverhalten.

    Keine gute Ausgangssituation für Howard Dully und sein weiteres Leben.

    Der dumme Bub hat ein Problem.
    Der dumme Bub ist schizophren. ********

    (Konstantin Wecker - "Der dumme Bub")


    Howards Stiefmutter Lou zeigte von Anfang an eine starke Abneigung gegen ihren Stiefsohn.

    Sie deutete anderen Menschen gegenüber an, sie glaubte ihr Stiefsohn hasse sie insgeheim und sie hätte deshalb Angst vor ihm.

    Sie warf ihm vor, ihr böse Blicke zuzuwerfen, oft nur dazusitzen und nachzudenken, zu viel zu essen und sehr schlechte Tischmanieren zu haben.

    Sie fand häufig Anlässe, Howard durch Schläge zu bestrafen und schlug ihn öfter als seine Geschwister.

    Nachdem sie in einer Zeitschrift etwas über Lobotomie gelesen hatte, begann sie damit, ihren Sohn zu verdächtigen, an Schizophrenie zu leiden. Oder tat so, als würde sie dies vermuten.

    Sie begann auch ihrem Mann zuzureden, dass Howard eine Lobotomie bräuchte.

    Damit er endlich mal pariert
    Wird ihm das Hirn rausoperiert ********

    (Konstantin Wecker - "Der dumme Bub")


    Lou ging mit Howard zu einem Psychotherapeuten nach dem anderen mit ihrer – angeblichen – Sorge, der Sohn wäre schizophren oder zumindest ein Psychopath und müsse lobotomiert werden.

    Für sie enttäuschend sagte ihr ein Therapeut nach dem anderen, ihr Sohn wäre völlig normal.

    Endlich lernte sie Walter Freeman kennen und ihn konnte sie schließlich davon überzeugen, diese Operation tatsächlich an ihrem Stiefsohn durchzuführen.

    So ohne Hirn hat man Ihn richtig gern.
    Jetzt dreht er Däumchen, so a Freud!
    Und ist ganz friedlich und bereut. ********

    (Konstantin Wecker - "der dumme Bub")


  • You can do it!


  • Howard Dully hat keinerlei Erinnerungen an das erste Jahr nach dieser Operation.

    Einer seiner Brüder beschreibt ihn in dieser Zeit als "Zombie" (wörtlich zitiert).

    Er sei apathisch gewesen, hätte einen starren Blick gehabt und nicht gesprochen.

    Dullys Erinnerung an seine Kindheit vor der Operation ist mehr als lückenhaft und musste für seine Autobiographie "My Lobotomy" mit Unterstützung seines vom Verlag vermittelten Co- Autors Charles Fleming mit Hilfe von Aussagen der Verwandten, Briefen und Dokumenten relativ mühsam recherchiert werden.

    War Howard Dully vor der Lobotomie ein guter Schüler gewesen, vor allem in den Naturwissenschaften, war er nach der Operation jahrzehntelang nicht mehr in der Lage einen Schulabschluss zu erlangen.

    Ein Jahr nach der Operation dürfte sich sein Gehirn von den schweren Verletzungen die es erlitten hatte aber zumindest teilweise regeneriert haben. Er begann zaghaft wieder zu sprechen, erlangte nach und nach wieder die Fähigkeit zu lesen, und ein Bewusstsein seiner selbst kehrte zurück.

    Dully war den Großteil seines Erwachsenenlebens Sozialhilfeempfänger, zeitweise obdachlos, hatte Probleme mit obsessivem Essverhalten, Drogenkonsum und Alkohol, sowie Affektstörungen.

    Es ist ihm auch lange nicht gelungen, eine stabile Paarbeziehung einzugehen.

    Spät im Leben fand er dann doch noch eine Ehefrau, die ihm in seinem weiteren Leben sehr half.

    Mit 50 Jahren machte er den Highschoolabschluss nach und absolvierte eine Ausbildung als IT- Techniker, fand dann aber keinen Job in diesem Bereich. Als er seine Biographie schrieb, war er Busfahrer, schwer verschuldet und lebte mit seiner Frau in einem Trailerpark.

    Seine Brüder sind Akademiker geworden.

    Wann ein Kind ned hören will,
    dann muß mas operiern! ********

    (Konstatin Wecker - "Der dumme Bub")


    Howard Dully ist mit seiner Lobotomie vergleichsweise glimpflich davongekommen.

    Vermutlich, weil seine Ausgangslage, die eines aufgrund von guten erblichen Anlagen und bis dahin erfolgter Ausbildung bereits hochvernetzten und hochentwickelten Gehirns war, das sich teilweise neu verschalten und sozusagen "reparieren" konnte.

    Günstig für ihn war auch, dass sein Hirn noch mitten in der Entwicklung gestanden hatte, da er zum Zeitpunkt seiner Lobotomie erst 12 Jahre alt war.

    Viele andere Opfer waren aber vor ihrer Operation geistig bereits stark beeinträchtigt gewesen.
    Weil ihnen die entsprechenden Regenerationsmöglichkeiten fehlten, sich von diesen umfassenden zusätzlichen Hirnschädigungen wieder zu erholen, haben ihnen die Lobotomien endgültig den Rest gegeben.

    Auch gesunde Erwachsene erholten sich meist kaum von diesen Eingriffen, weil sich das Gehirn im Erwachsenenalter von schweren Schädigungen und Traumata nicht mehr so gut erholen kann wie das eines Kindes.

    Ja, wir sind Verbrecher. Wahrscheinlich. Wenn man es so sieht. ***
    (Delphine de Vigan - "Loyalitäten")


    Wurden Lobotomien in den Fünfzigerjahren an gesunden Erwachsenen durchgeführt, waren die Opfer meist – wenn auch keineswegs immer - Frauen.

    Es konnten nichtige Anlässe sein, die zu einer Operation führten.

    Ich selbst wäre in den Fünfzigerjahren z.B. eine gute Lobotomie- Kandidatin gewesen, denn:

    Während ich dies schreibe, sitze ich in einem ziemlich unaufgeräumten Zimmer, unter den alten Kästen aus dem 19. Jahrhundert vermehrt sich eine wachsende Population Wollmäuse, die Fenster sind nicht geputzt, und ich habe vergessen in der Früh meinen Geschirrspüler einzuräumen. Ich kleide mich auch manchmal exzentrisch.
    Und statt den Sauhaufen, den ich Wohnung nenne, endlich ordentlich aufzuräumen und zu putzen, schreibe ich einen Text, den eh´ wieder niemand lesen wird.

    Also …..

    Eben!
  • Puppe!
  • Das muaß jetzt endlich anders werdn ********
    (Konstantin Wecker - "Der dumme Bub")


    Tatsächlich wurden Hausfrauen in den USA der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts nicht selten von ihren Gatten zur Lobotomie geschickt, wenn sie leichte Depressionen zu haben schienen, wenn sie mit der Führung eines perfekten Haushaltes nicht zu Rande kamen oder sich nachlässig kleideten. Aus absurd nichtigen Gründen also.

    Es ging grundsätzlich um Konformitätsdruck bei diesen Lobotomien, um das perfekte sich Einfügen in eine restriktive wertkonservative Gesellschaft als kleines Rädchen im Getriebe – egal ob die Opfer Männer oder Frauen waren..

  • Engel korrekt!
  • Sooner or later, this happens to everyone *°
    (The Pet Shop Boys "Love comes quickly")


    Schlussbemerkung

    Zum Ende komme ich noch einmal auf meine sarkastische Phrase "Sexuell missbraucht und stolz darauf" zurück.

    Viele Opfer von sexuellem Missbrauch, die diesen öffentlich machen, werden nicht müde, zu betonen, dass sie den Tätern verzeihen und/ oder ihnen nicht böse wären und/oder, dass sie diese trotz allem geliebt hätten.

    Es kann dadurch der falsche Eindruck entstehen, es hätte ein gegenseitiges Opfer/Täter Einverständnis gegeben.

    Vielleicht stecken Therapeuten dahinter, die glauben, es wäre für den seelischen Heilungsprozess dieser Frauen schädlich, wenn sie den Täter hassen würden.

    Ich sehe die Gefahr, dass sexueller Missbrauch durch die Art wie sich AutorInnen und KünstlerInnen damit in guter Absicht auseinandersetzen, eventuell auch enttabuisiert- und dadurch banalisiert werden könnte.
    Es werden meistens bestimmte Phrasen in Büchern benutzt, bestimmte Bilder verwendet, darunter auch Darstellungen von Kindern und/oder Puppen.
    Die AutorInnen und KünstlerInnen beeinflussen sich in ihrer Ästhetik gegenseitig sehr stark.
    Deshalb meine Klarstellung, dass meine Puppen etwas ein wenig anderes meinen.

    Sexueller Missbrauch ist ein allgemeines gesamtgesellschaftliches Problem, das real ist und wächst, daher die Menschen nicht gegen das Thema abgestumpft werden dürfen. Wir sollten uns deshalb nicht achtlos/stereotyp/klischeehaft mit der Thematik auseinandersetzen. Auch ich darf das nicht.
    Deshalb meine provokative Anfangsbemerkung zu Beginn des Textes. - zur Klarstellung.

    weitere Texte zum Thema:
    Der große Gott Pan und seine Götzen
    Wege des Ruhms
    Unterwegs

Anmerkungen, Zitate + Bildnachweis

* Das Zitat stammt aus einem Drahdiwaberl Live- Konzert, das ca. vor 1983 stattgefunden hat. Ich habe jahrlang einen Raubmitschnitt auf Musikkassette besessen. Wie das Leben so spielt, ist mir diese Aufnahme verlorengegangen. Heute könnte ich das Konzert aber ohnehin nicht mehr abspielen, seit das Kassettendeck meiner 1990er Stereoanlage den Geist aufgegeben hat, und weil ich ohnehin auch kein Gerät zur Digitalisierung von Musikkassetten besitze. Dieses Live Konzert war nicht (!) identisch mit dem derzeit wieder auf Schallplatte käuflich erwerbbaren Arena Live-Album der Gruppe Drahdiwaberl mit dem Titel "Wer hat hier Pfui geschrien?" (das übrigens auch sehr zu empfehlen ist)

Das Originazitat kann ich daher nur aus dem Gedächtnis rezitieren - hoffentlich einigermaßen korrekt:
Der Kreisky zählet 70 Sommer
Der Breschnew lieget halb im Koma
Der Reagan in Amerika verwest bald wie Chinas Hua
Moral: die alte Garde rächt sich, trau keinem unter Achtundsechzig


** zitiert aus: Elfriede Jelinek · "Angabe der Person" (Roman) · Rowohlt Verlag, Hamburg · Dezember 2022 · ISBN 978-3-498-00318-0 · Seite 44
*** zitiert aus: Delphine de Vigan · "Loyalitäten" (Roman) · Dumontverlag, Köln ·1. Auflage 2018 · ISBN 978-3-8321-8359-2 · Seite 5 und Seite 102
**** zitiert aus: Ulrich Diekmeyer · "Das Elternbuch - Unser Kind im 3. Lebensjahr" · Untertitel: "Sexualerziehung, Erziehungsziele und Erziehungsstile, Vorschläge für das Kinderzimmer und für den Urlaub mit Kind" · Rowohlt Verlag, Hamburg · März 1976 (mein Geburtsjahr und Monat) · ISBN 3 499 169533 · Seiten 86 - 87
***** aus: Daphne du Maurier · "The Scapegoat" (Roman in engl. Spr.) · Pan Books London, Sydney and Oakland · 1975 (first published 1957 by Victor Gollancz Ltd.) · ISBN 0 330 24589 9 · Seite 228
****** aus: Wilhelm Reich · "Die Massenpsychologie des Faschismus" Kiepenheuer & Witsch, Köln 1971, 1986 (Copyright 1933) · ISBN 3 462 01794 2 · Seiten 148 - 149, Seite 185
******* aus: Hedda Nussbaum · "Surviving Intimate Terrorism" (engl., Introduction by Gloria Steinem) · Amazon Books, 2012 · ISBN 978 14 680 867 68 · Seite 10
******** aus dem Live Album "Konstantin Wecker & die Band - Konzert 90" · Songtext "Der Dumme Bub" von Konstantin Wecker auszugsweise.
aus dem Songtext "Love comes quickly" von den Pet Shop Boys" · ich habe mehrere Alben, wo der Song d´rauf ist, darunter die CD: "Please" · EMI Records 1986

zu den Illustrationen im Text:

1., 10., 12. und 14. Bild: "Fugitive Red - Some Kind of Blue", Triptychon · Mischtechnik auf Sperrholz (Mittelteil) und Karton, 2024 · das Bild thematisiert das Schicksal von Lisa Steinberg in drei Stadien und wurde von mir extra für die Gruppenausstellung der Künstlerveeinigung Kunst Aspekt "Schwarz macht schlank" (11.10. - 27.10.2024) in der Galerie im Turm ausgearbeitet
2. Bild: "Der Nachtmahr" · Öl auf Baumwolle 2016 · 50 x 40 cm · Ausstellungsbeitrag + Motiv für das Ausstellungsplakat für die Gruppenausstellung von Kunst Aspekt in der Galerie im Turm "Daydream and Nightmare" 17. Oktober bis 2. November 2025
4., 5., 6., 11., 13., 17. Bild: die Bilder, die ich in der Gruppenausstellung "New Members" in der Galerie im Turm ausgestellt habe (12.4.2024 - 28.4.2024)
(zusammen mit Karine Dez, Sylvia Galos, Ernst Wittkowski)
9. und 20. Bild: extra für diesen Text mit Bleistift gezeichnete Illustration, jeweils unterschiedlich mit Photoshop gedreht bzw. nachbearbeitet.

weitere für diesen Text verwendete Literatur:

Howard Dully (and Charles Fleming) · "My Lobotomy - A Memoir" · Crown, New York 2007, 2008 · ISBN 978 - 0 - 307 - 38127 - 9
Joel Braslow · "Mental Ills and Bodily Cures" (Psychiatric Treatments in the First Half of the Twentieth Centurry) · University of California Press, Berkeley, Los Angeles, London, 1959, 1992, 1997 · ISBN 978 - 0 - 520 - 20547 - 5
Howard Sounes · "Fred & Rose" (The full story of Fred and Rose West and the Gloucester House of Horrors) · Sphere (Little Brown Books), 1995, 2019 · ISBN 978 - 0 - 7515 - 7750 - 1


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